Etwas das Rollenspieler und Autoren gemeinsam haben ...

…ist die Phantasie. Die Leidenschaft, sich Figuren, Szenarien und ganze Romane zu erdenken. Dabei gehört zu jeder guten Geschichte neben den Figuren auch ein Plot. Und für einen guten Plot braucht es massig Konflikte. Reibungspunkte, an denen sich die Protagonisten, wie auch die Leser hochschaukeln können, sich auf die eine oder die andere Seite schlagen, urteilen und verurteilen können. Der eine Autor traut sich dies mehr, der andere weniger. Denn wenn man polarisiert, dann gibt es immer die leidenschaftlichen Befürworter und die vehementen Gegner, die ihre Emotionen nicht nur an den Geschichten, sondern zum Teil auch an den Erfindern auslassen.

Dabei habe ich die Erfahrung sowohl im Rollenspiel, als auch beim Schreiben von Romanen gemacht, dass Mitspieler und Leser hin und wieder Fiction und Realität vermischen. Da wird schnell aus dem Spieler mit dem frauenverachtenden Kommandant, ein mieser Macho im realen Leben oder schlimmer noch eine ungeliebte Frau, die lieber ein ganzer Kerl wäre. Die Figur der lebensmüden Bettlerin ruft bei dem ein oder anderen den Drang hervor, umgehend den Notruf zu kontaktieren, weil sich der Mensch hinter der gespielten Figur bestimmt noch heute Abend umbringen wird.

Ein Phänomen, dass mich sowohl irritiert als auch ein wenig stolz macht. Denn offenbar ist meine Darbietung in diesen Fällen überzeugend gewesen. Ich selbst würde wohl nie auf die Idee kommen, einfach so von einer fiktiven Figur auf den Menschen dahinter zu schließen. Und zwar weder, wenn es um Alter, Geschlecht, Neigungen oder Hintergrundstory desjenigen geht.

Beim Romanschreiben kann es wiederum passieren, dass man Menschen triggert, mit dem, was man seinen Figuren an Charakterzügen und Meinungen andichtet. Natürlich passiert das eher bei den radikaleren Typen. Ein Feld, bei dem man schnell im Pool der Klischees landet. Aber gerade die Klischees machen es für den Leser andersherum hoffentlich auch wieder ein Stück weit besser zu ertragen. Es lässt ihn klarer erkennen, dass eine fiktive Figur spricht und nicht die Stimme des Autors.

Wenn man doch die persönliche Grenze eines Lesers erreicht, dann kann es richtig hässlich für den Autor werden. Dann werden Verbindungen gezogen, die so nie im Konzept standen oder gar im Kopf des Autors angelegt waren. Einer von vielen Gründen, warum man als Schreiberling ein dickes Fell braucht (neben all den grausamen Absagen von Verlagen und Agenturen, die als Eispickel im Rücken stecken bleiben!).  

Die Vermischung von Grenzen kann sich soweit steigern, dass man den Autor am Ende mit dem Namen der Romanfigur anspricht und von ihm zum Beispiel im Falle einer Arztfigur medizinischen Rat erbittet. Oder aber den Autor selbst zum Sadisten, Sympathisanten oder Manipulanten erhebt.

Ganz so schlimm ist es nicht, wenn es um meine eigene Person geht. Und doch, schafft man es auch als Serienschreiberin hin und wieder unabsichtlich den wunden Punkt bei jemand zu treffen und sieht sich plötzlich persönlich in den Schwitzkasten genommen.

Das ist nicht sonderlich angenehm. Aber es gehört dazu. Denn meiner Ansicht nach darf jeder seine eigene Meinung haben, sein eigenes Weltbild und seine eigene Art Dinge zu lesen, zu schreiben und zu verstehen. Sowohl in der fiktiven, wie auch in der realen Welt. Sowohl auf Leserseite, wie auch auf der des Autors.